Mit Dr. Tilman Pfau und Eva Wolfangel.
Prof. Dr. Tilman Pfau, Leiter des 5. Physikalischen Instituts an der Universität Stuttgart, setzt mit einer Bemerkung zu Energiefragen ein: Der derzeit schnellste Supercomputer an der Universität Stuttgart hat eine Leistungsaufnahme von biszu 20 Megawatt. „Das muss man erstmal wegkühlen“, sagt er und beschreibt Anstrengungen, die Heizleistung des Computers für die Heizung des Universität nutzbar zu machen. Dann springt er zu seinem eigentlichen Thema, und leistet in seinem Vortrag etwas Bemerkenswertes: Er liefert in einer knappen halben Stunde eine allgemeinverständliche Kurzvorlesung zum Thema Quantenphysik ab, die das Fundament für die Beantwortung zweier Fragen legt: Warum rechnen Quantencomputer ganz anders als herkömmliche? Und: Was können Quantencomputer (und was nicht)? Die Quantenwelt, in die wir durch das berühmte Tor des Doppelspaltexperiments eintreten, ist tatsächlich voller seltsamer Realitäten, und Tilman Pfau sagt, dass man mit diesen Realitäten am besten umgeht, indem man sie zunächst einmal akzeptiert (was Einstein bekanntermaßen schwerfiel). Aber egal, ob man mit den Prinzipien der Quantentheorie mental zurechtkommt oder nicht, eins ist klar: Sie ist die experimentell am besten belegte Theorie in der gesamten Naturwissenschaft. Und deswegen funktionieren Quantencomputer auch – selbst wenn wir noch sehr am Anfang stehen. Sie eignen sich nach heutigem Stand nicht zum Knacken aller berechenbarer Probleme, sondern nur für bestimmte Problemsorten, an denen herkömmliche Computer versagen. Als Beispiel nennt Tilman Pfau die Zerlegung großer Zahlen in ihre Primfaktoren. Wesentliche Verbesserungen in diesem Bereich hätten unmittelbare Auswirkungen auf viele heute gebräuchliche Verschlüsselungsverfahren. Auch einige sogenannte NP-schwere Probleme können mit Quantencomputern angegangen werden, wie zum Beispiel das Problem des Handlungsreisen, bei dem es darum geht, die kürzeste Verbindung zwischen einer Vielzahl von Punkten zu finden – die Nutzanwendungen dürften auf der Hand liegen. Die Quantenchemie ist ein Anwendungsfall, wenn es um die Simulation komplexer Moleküle geht. Das Suchen in unsortierten Listen kann durch den Grover-Quantenalgorithmus massiv beschleunigt werden. Weil Quantencomputer in diesem Sinn Spezialisten sind, werden sie aktuelle, herkömmliche Supercomputer so bald auch nicht völlig ersetzen können. Die Technologie ist extrem anspruchsvoll, und sie wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Die gesamte Rechenkette, von der Hardware über die Software bis zur Interpretation der Ergebnisse, die eigentlich Wahrscheinlichkeitskonstellationen sind (etwas anderes liefern Quantentcomputer nicht), verläuft anders als bei herkömmlichen Computern. Im Gespräch mit Eva Wolfangel und dem Publikum geht es nach dem spannenden Vortrag hauptsächlich um Verständnisfragen – also um das Staunen der Zuhörer. Staunenswert ist auch, was Tilman Pfau vom Energieverbrauch seiner Quantenmaschine zu berichten hat. Im Unterschied zum erwähnten Stuttgarter Supercomputer zieht sein Rechner nur 20 Kilowatt. Das ist dann, auf’s Ganze gesehen, erheblich leichter wegzukühlen.
Beitrag von Marcus Hammerschmitt