Ist der Mensch die traurigste Maschine?

Mit Martina Clavadetscher und Eva Wolfangel.

Gleich vorweg: Ja, für Martina Clavadetscher ist der Mensch die traurigste Maschine, und die lustigste zugleich. Warum das so ist, kann man der Lesung aus ihrem Roman „Die Erfindung des Ungehorsams“ leicht entnehmen. Wie dort Ling (eine der Protagonistinnen) mit einem Leben zurechtkommt, in dem es um immer schlauere Sexpuppen, Genauigkeit, ständige Wiederholungen und Einsamkeit geht, und in das schließlich echte Künstliche Intelligenz Einzug hält, das ist schon traurig und lustig zugleich. Der Schöpfungsakt, der bei Frankensteins Konstrukt noch eine Menge Brimborium erforderte, ist bei den Sexpuppen viel banaler, aber er macht die Grenze zwischen dem schlau zusammengebauten Material und dem Material, das sich selbst kennt, genau so deutlich wie bei Mary Shelley. Bei Mary Shelley müssen Leichenteile zusammengebastelt werden, bei Martina Clavadetscher niest man der vorbereiteten Sexpuppe in den geöffneten Schädel. Die Leichenteile sind durch Kunststoff ersetzt worden, und das Zusammenbauen wurde von einer ganzen Industrie übernommen. Martina Clavadetscher ist schon lange von Ada Lovelace fasziniert, der genialen Denkerin, die seinerzeit für die nie gebaute „Analytical Engine“ von Charles Babbage das erste veröffentlichte Computerprogramm entwarf und visionär über die Möglichkeiten programmierbarer Maschinen nachdachte. In diesem Sinn ist „Die Erfindung des Ungehorsams“ auch eine Aktualisierung der Visionen, die Ada Lovelace bereits Mitte des 19. Jahrhunderts niederschrieb. Wie weit wollen wir gehen mit der Künstlichen Intelligenz? Und ab wann werden uns die Maschinen die Initiative aus der Hand nehmen? Im Gespräch mit der Wissenschaftsjournalistin Eva Wolfangel geht es naturgemäß um die Philosophie hinter diesen Gedanken und Erzählungen. Was ist denn eigentlich Autonomie? „Auch Menschen sind unfassbar programmiert!“, sagt Martina Clavadetscher. Können Maschinen kreativ sein? Was ist das „Bauchgefühl“, was ist die „Intuition“, auf die sich viele Menschen berufen, wenn sie Unterschiede zu den Maschinen markieren wollen? Aber die Autorin hat auch selbst Respekt vor der Möglichkeit, dass ihr eigener Job in Zukunft von den Maschinen gemacht wird. Sie hofft auf einen Rest unreduzierbarer, unsimulierbarer Menschlichkeit in der Kunst, der als Brandmauer zur algorithmischen Intelligenz stehenbleibt. Was dieser Rest aber sein könnte, ist nicht leicht zu bestimmen. „Alles Denkbare wird werden!“, ruft die Autorin aus. Aber was geschieht nach der Singularität?

Beitrag von Marcus Hammerschmitt