Post-fossile Städte

Mit Wytske Versteeg und Dr. Astrid Ley.

Dass es leichter sein kann, über Utopien auf dem Mars zu reden als auf der Erde, mag viele überraschen, aber die Autorin und Politologin Wytske Versteeg und die Urbanistin Dr. Astrid Ley können ein Lied davon singen. Was genau heißt denn „post-fossile“ Stadt? Steuert nicht allein die Formulierung „post-fossile“ Stadt schon unsere Vorstellungen, und zwar je nach Herkunft, Klasse, Einkommen, politischer Überzeugung etc. in je unterschiedlicher Weise? Um eine möglichst großen Konsens der Bevölkerung zu erreichen, ist es laut Versteeg und Ley notwendig, die Erkenntnisses des Postkolonialismus in die Diskussion einfließen zu lassen. Es bringe nichts, den Menschen die Lösungen überzustülpen, die man als „benevolent dictator“ für die geeigneten hält. Eine Art „innerer Kolonialismus“ liefe Gefahr, die schlimmen Erfahrungen aus früheren städtebaulichen Experimenten der Moderne zu wiederholen. Wichtig sei in jedem Fall, die post-fossile Stadt nicht als eine zu verstehen, die bloß durch Verzicht und Beschränkung zu erreichen sei. Dass zum Beispiel Modellüberlegungen für Stuttgart dahin gehen, dass der Neckar für die Bevölkerung wieder erreich- und nutzbar werde, müsse deutlicher kommuniziert werden. Die postfossile Stadt, so Versteeg, muss „mehr sein, nicht weniger“. Wie das allerdings genau aussieht, ist nicht leicht zu fassen. Mit großer Lust am Hinterfragen debattieren die beiden Diskussionspartnerinnen über den langen Weg zu den richtigen Fragen über die Zukunft der Urbanität. Oder, um es noch allgemeiner zu fassen: Wie sieht es denn aus, dass gute Leben? Wenn derzeit Windenergie in den Niederlanden ausgebaut wird, um die Klimaziele von Google zu erfüllen – ist das wirklich der Sinn der Sache? Und selbst wenn Experimente wie die des Urban Futures Studio in Utrecht Ergebnisse bringen – wie kommen diese Ergebnisse denn zurück zur Politik, die sie in Realität umsetzen kann? Der demokratische Raum, in dem die Entscheidungen über unsere Zukunft gefällt werden, ist noch recht unerforscht, scheint es. Und die schmerzhafte Erkenntnis, dass es hier auch um Machtfragen geht, bei deren Klärung nicht jede/r gleich zufrieden sein wird, hat sich noch nicht durchgesetzt.

Beitrag von Marcus Hammerschmitt