Keynote 2021 mit Dr. Gisela Detrell

Der rote Planet ist für viele Träume gut, sinnvolle und weniger sinnvolle, bekannte und weniger bekannte. Angeblich ernstgemeinte Missionen ohne Wiederkehr finden zahllose Bewerber („Mars One“, Niederlande), erweisen sich aber als Luftnummer. In „The Expanse“ von James S.A. Corey ist der Mars zwar politisch autonom und bis an die Zähne bewaffnet, aber auch eine sterbende Welt. Von Science Fiction und Anlagebetrug abgesehen – was bräuchte man denn, um nicht nur ein paar Astronauten, Milliardäre oder Selbstmordkandidaten auf den Mars zu bringen? Was wäre nötig für eine sich selbst erhaltende Community von einer Million Menschen? Dr. Gisela Detrell, Ingenieurin für Raumfahrtsysteme an der Universität Stuttgart, hat eine sehr genaue Vorstellung davon. Gestützt auf die Ergebnisse laufender und früherer Experimente (z.B. „Biosphere II“ in Arizona und „Lunar Palace“ in China) hat sie mit ihrem Team die Voraussetzungen für ein Projekt dieser Größenordnung durchgerechnet. Dabei geht sie nicht von zukünftiger, sondern von aktueller Technologie aus. Im Moment würde alleine die Reise einer Familie von Stuttgart zum Mars 300 Millionen Euro kosten, und der Hauptteil dieser Kosten würde auf die Mitnahme des benötigten Wassers entfallen. Es versteht sich von selbst, dass die „Mitnahmestrategie“ für eine große Anzahl von Menschen unmöglich wäre – eine dauerhafte Kolonie auf dem Mars müsste autark sein. 100 Quadratmeter Marsboden bräuchte es pro Kolonist:in, und 117 KW Energie müssten pro Person jederzeit zur Verfügung stehen. Die Idee, auf dem Mars die Erde in Kleinformat wiedererstehen zu lassen, wie sie von Biosphere II verfolgt wurde, wäre nicht praktikabel; eher würde es um ein reduziertes System wie beim Melissa Loop Concept gehen, bei dem man sich auf Schlüsselsubstanzen konzentriert – eine Art Basisökologie also. Was den Energiebedarf angeht, so könnte er nicht durch Solarenergie allein gedeckt werden. Nach heutigem Stand wäre die Nuklearenergie unverzichtbar. Erste praktische Erfahrungen sind gemacht, erste Schwierigkeiten erkannt: Ein Fotobioreaktor aus Stuttgart, in dem Chlorella- und Spirulina-Algen gezüchtet werden sollten, funktionierte zwar auf der ISS, aber nur für zwei Wochen. Als geschlossenes System konnte er im Orbit nicht repariert werden. Ganz generell gibt es schon jetzt ein wichtiges Ergebnis all dieser Forschungen: Was auf dem Mars das Überleben sichern würde, könnte sehr wohl auch auf der Erde nützlich sein.

Beitrag von Marcus Hammerschmitt